…. nach dem Tod eines nahen Angehörigen – sog. Schockschäden
Die Nachricht vom Tod eines nahen Angehörigen trifft die Hinterbliebenen zumeist schwer. Nicht selten gerät die Welt völlig aus den Fugen. Auch wenn der Täter bei fremdverschuldeten Tötungen letztlich durch sein Tun die regelmäßig eintretende Schock- und Trauerreaktion der Hinterbliebenen auslöst, wird den Angehörigen des Opfers bislang nur unter sehr engen Voraussetzungen ein eigener Schmerzensgeldanspruch gegen den Täter zugebilligt. Die Hinterbliebenen gelten zunächst als allenfalls mittelbar – durch den Tod und die Nachricht von diesem – Geschädigte. Ein eigener Schmerzensgeldanspruch besteht nur dann, wenn bei den Hinterbliebenen aufgrund der Nachricht eine Gesundheitsverletzung eintritt. Dabei reichen allein Trauer, Schmerz und Niedergeschlagenheit nicht zur Annahme einer Gesundheitsverletzung aus. Es müssen vielmehr Beeinträchtigungen gegeben sein, die über das „normale Maß“ der Beeinträchtigung hinausgehen, denen nahe Angehörige bei Todesnachrichten erfahrungsgemäß ausgesetzt sind. Erforderlich ist eine medizinisch objektivierbare traumatische Beeinträchtigung der physischen und psychischen Gesundheit, der Krankheitswert zukommt. Hinzukommen muss regelmäßig ein besonderer Zurechnungszusammenhang, wie ein unmittelbares Miterleben des Unfalls bzw. des Unfalltodes.
Zu den Voraussetzungen des „Angehörigenschmerzensgeldanspruches“ hat sich im Januar 2015 nochmals der Bundesgerichtshof geäußert (Urteil v. 27.01.2015, Az. VI ZR 548/12). Der Entscheidung lag ein Verkehrsunfall zugrunde: Der Kläger und seine Ehefrau waren auf ihren Motorrädern unterwegs als ein alkoholisierter Fahrer mit seinem Pkw in den Gegenverkehr geriet. Während der Kläger einer Kollision entging, erfasste der Pkw Fahrer die nachfolgende Ehefrau auf ihrem Motorrad und fügte ihr tödliche Verletzungen zu. Der Kläger klagte nach dem Unfall über Angstzustände, Schweißausbrüchen und Zittern im Straßenverkehr. Seine Tätigkeit als Berufskraftfahrer musste er schließlich aufgeben. Auf Anraten seiner Ärzte gab er zudem die Ehewohnung auf, um den Unfall besser verarbeiten zu können. Außergerichtlich zahlte der Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 €. Mit seiner nachfolgend erhobenen Klage begehrte der Kläger die Zahlung eines höheren Schmerzensgeldes. Sowohl in der ersten, als auch in der zweiten Instanz scheiterte die Klage jedoch. Nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts waren bestehende Schmerzensgeldansprüche mit der außergerichtlichen Zahlung von 4.000,00 € vollständig erfüllt worden. Das Berufungsgericht konnte eine notwendige Gesundheitsverletzung des Klägers nicht feststellen: Über normale Trauerreaktionen sei eine Gesundheitsverletzung des Klägers nicht eingetreten. Dies sah der Bundesgerichtshof anders: Die Beeinträchtigungen des Klägers wären über das normale Maß deutlich hinausgegangen. Zudem sei zu berücksichtigten, dass der Kläger den Tod seiner Ehefrau unmittelbar – optisch und akustisch – miterlebt habe. In solchen Konstellationen könne regelmäßig ein Schmerzensgeldanspruch angenommen werden.
Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht, Bocholt