Überstunden und deren Vergütung … kein leichtes Pflaster, daher heute einige allgemeine Bemerkungen zum Problemkreis
Überstunden leistet der Arbeitnehmer, wenn er über die arbeitsvertraglich (oder tariflich) vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeitet. Eine Verpflichtung zur Ableistung von Überstunden besteht dabei grundsätzlich nur dann, wenn der Arbeitsvertrag oder der Tarifvertrag eine entsprechende Bereitschaft des Arbeitsnehmers oder eine entsprechend konkretisierte Weisungsbefugnis des Arbeitgebers festhält („der Arbeitnehmer erklärt sich bereit, im Bedarfsfall Überstunden zu leisten“ o.Ä.). Fehlt eine solche Klausel, schuldet der Arbeitnehmer keine Überarbeit.
Dass ein Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang erbringt, begründet allerdings noch nicht automatisch einen zusätzlichen Entgeltanspruch. Ein Arbeitgeber muss sich „Überstunden“ nicht aufdrängen lassen. Zur Vergütung von Überstunden ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst oder diese gebilligt oder geduldet hat. Relevant sind Überstunden also nur, wenn sie mit „Wissen und Wollen“ des Arbeitgebers geleistet wurden.
Tarifverträge sehen für die Vergütung von Überstunden, insb. wenn diese in den Abend-/Nachtstunden oder an Wochenenden abgeleistet werden, die Zahlung eines Zuschlags zum Grundlohn für die Arbeitsstunde vor. Zwingend ist die Zahlung von Zuschlägen für die einzelne Überstunde allerdings nicht. Fehlen besondere Entgeltregelungen, so ist auch die Überstunde „nur“ mit dem Grundlohn zu vergüten.
Teilweise beinhalten Arbeitsverträge Klauseln, wonach anfallende Überstunden mit dem (für die regelmäßige Arbeitszeit) vereinbarten Arbeitsentgelt insgesamt als abgegolten gelten. Wird die Anzahl der danach vom Grundgehalt mitumfassten Überstunden nicht beziffert, sondern alle Überstunden pauschal abgegolten, ist die betreffende Vertragsklausel im Regelfall unwirksam. Die anfallenden Überstunden sind – ungeachtet der Abgeltungsklausel – vom Arbeitgeber zu vergüten.
Unter der Geltung des Mindestlohngesetzes sind Überstunden – jedenfalls mit dem gesetzlichen Mindestlohn – innerhalb einer kurzen Frist zu vergüten. Nur unter engen Voraussetzungen können Überstunden durch ein schriftlich zu vereinbarendes Zeitkonto weiter geschrieben werden.
Besteht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber Streit über den Anfall und die Vergütung von Überstunden, obliegt es zunächst dem Arbeitnehmer den Anfall von Mehrarbeit sowie die Anordnung oder Duldung durch den Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen. Dabei reicht der pauschale Hinweis auf regelmäßige Mehrarbeit nicht aus. Gibt es feste Arbeitszeiten, ist anzugeben, wann (Tag und Stunde) und in welchem Umfang er mit welchen Arbeiten außerhalb dieser Arbeitszeit tätig geworden ist. Sind keine festen täglichen Arbeitszeiten festgelegt, ist genau nach Tag und Stunde einschließlich gemachter Pausen aufzuschlüsseln, welche Arbeiten im Einzelnen ausgeführt wurden. Fehlt eine ausdrückliche Überstundenanordnung des Arbeitgebers ist anzugeben, dass und warum die geleisteten Überstunden zur Erfüllung welcher Aufgaben erforderlich waren bzw. der Arbeitgeber die Mehrarbeit zur Kenntnis genommen hat. Es reicht also nicht aus, lediglich mitzuteilen, dass man erst eine Stunde nach Büroschluss Feierabend gemacht hat. Auch die Aufzeichnungen aus einem vorhandenen Zeiterfassungssystem reichen als solches nicht aus, um Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung zu begründen. Es empfiehlt sich daher, gerade für Arbeitnehmer ohne einen festen Tagesablauf (insb. Kraftfahrer) konkret festzuhalten, wie sich der Arbeitstag mit welchen Aufgaben und Pausen gestaltet! Nur dann kann den hohen Anforderungen der Rechtsprechung im Bereich der Überstunden Rechnung getragen werden.
Auch bei Überstundenvergütungen sind schließlich im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussklauseln zu berücksichtigen: auch Ansprüche auf Überstundenvergütung müssen kurzfristig geltend gemacht werden (hierfür sprechen wegen der beschriebenen besonderen Darlegungslast auch praktische Geschichtspunkte: nach langer Zeit wird man den Anfall von Überstunden kaum noch nachzeichnen können).
Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht Bocholt