Tierhalterhaftung

Durchgehende Pferde und Hundehalter-Haftung

§ 833 BGB statuiert für die Halter von Haustieren eine Gefährdungshaftung: Tierhalter haften danach für die von ihren Tieren verursachten Schäden, egal ob Hund, Katze, Kuh oder Pferd und egal, ob durch das Tier eine Sache beschädigt oder ein Mensch verletzt wird. Grundidee der Haftungsnorm bildet die Erkenntnis, dass tierisches Verhalten auch bei ausreichender Schulung und Training unberechenbar bleibt und dadurch ein erhebliches Gefahrenpotential bietet. Wirft der Hund im Spiel nur eine kleine Vase um, mag das noch hingehen und nur ärgerlich sein, übel kann es jedoch ausgehen, wenn durch das Tier z.B. ein Kind attackiert und gebissen wird. Hier können plötzlich erhebliche Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche zur Diskussion stehen. Es kann jedem Tierhalter daher nur dringend empfohlen werden, eine entsprechende Haftpflichtversicherung abzuschließen.

Über eine „doppelt gefährliche“ Situation, die mit dem Sturz vom Pferd für den Kläger endete, hatte im August das OLG Karlsruhe zu entscheiden (Az. 7 U 200/16): Der Kläger war zu Pferd unterwegs, als es zur Begegnung mit dem frei laufenden Hund der Beklagten kam. Der Hund folgte dem Kläger und seinem Pferd. Die Beklagte versuchte, ihren Hund hierauf mit Hilfe einer Hundepfeife zurückzurufen. Nachdem ein erster Pfiff ohne Reaktion des Hundes blieb, nutzte die Beklagte die Pfeife ein zweites Mal. Durch diesen Pfiff kehrte der Hund zwar zurück, es ging aber auch das Pferd des Klägers durch, der Kläger stürzte und verletzte sich. Seine Klage auf Schadenersatz wies das Oberlandesgericht nun in letzter Instanz ab: ein Fall der Tierhalterhaftung läge nicht vor. Der Hund der Beklagten habe das Durchgehen des Pferdes nicht verursacht. Das Pferd habe nicht auf die Annäherung des Hundes reagiert, sondern allein auf den (zweiten) Pfiff mit der Hundepfeife und damit auf ein menschliches Verhalten. Allein die Nutzung der Hundepfeife begründe keine Haftung der Beklagten. Die Beklagte hätte die Pfeife nutzen dürfen, die Nutzung stelle im konkreten Fall eine adäquate Reaktion auf das Verhalten des Hundes dar. Mit der Reaktion des Pferdes auf den Pfeiflaut habe die Beklagte nicht rechnen müssen, dass das Pferd schon auf den ersten Pfiff schreckhaft reagiert und der Beklagten Anlass geboten hätte, von der weiteren Nutzung der Pfeife Abstand zu nehmen, konnte das Gericht nicht feststellen.

… ich gehe jetzt mal mit der Kanzlei-Dackeldame vor die Türe und versuche, sie von der Fahrradfahrer-Jagd abzuhalten!

Schmerzensgeld

– die Details machen es!

In der zurückliegenden Woche sprach das Landgericht Köln dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl für die Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes durch die „unabgesprochenen“ Veröffentlichungen seines ehemaligen Ghostwriters ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000.000,00 € zu. Auch wenn nach Angaben der Presse wohl ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000.000,00 € eingeklagt war (die Klage also in weiten Teilen ohne Erfolg blieb), ist die ausgeurteilte Summe beachtlich: In Deutschland werden selbst bei schwersten körperlichen Verletzungen vergleichbare Beträge nur äußerst selten zugesprochen. Welche Gesichtspunkte bei der Bemessung des Kohl-Schmerzensgeldes maßgeblichen Einfluss genommen haben, muss man abwarten. Wir hoffen auf eine vollständige Veröffentlichung des Urteils.

Die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten ist auch rechtsdogmatisch ein Sonderfall. Das Gesetz kennt Schmerzensgeldansprüche ausdrücklich nur bei einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, bei Freiheitsentziehung und der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung (z.B. im Fall sexueller Nötigung oder in Vergewaltigungs-Fällen), vgl. § 253 BGB. Mit der Zuerkennung von Schmerzensgeldansprüchen soll der Verletzte einen Ausgleich für die erlittenen Verletzungen und Schmerzen erhalten; mit dem Schmerzensgeld soll er in die Lage versetzt werden, sich zumindest für die eingetretenen Beeinträchtigungen Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen (vgl. Palandt/Grüneberg, § 253 BGB Rn. 4). Daneben soll dem Verletzten Genugtuung verschafft werden. Was konkret aufzuwenden ist, um einen entsprechenden Ausgleich leisten zu können und dem Opfer Genugtuung zu verschaffen, sagt das Gesetz leider nicht. Eine verbindliche, allgemein gültige Schmerzensgeldtabelle, in der festgeschrieben wird, welches Schmerzensgeld beispielsweise bei einem gebrochenen Arm, bei einem HWS-Trauma, einer Ohrfeige o.Ä. zu leisten ist, existiert nicht. Nach einer gesetzlichen Gliedertaxe, mit deren Hilfe einzelne oder mehrere Verletzungen bewertet und aufaddiert werden könnten, sucht man vergebens. Die Bemessung der Höhe eines zu leistenden Schmerzensgeldes steht vielmehr im Ermessen des im Streitfall mit der Entscheidung betrauten Gerichts, das sich bei der Bemessung des Schmerzensgeldes allerdings an Entscheidungen anderer Gerichte in vergleichbaren Fällen zu orientieren hat. Vergleichbare Verletzungen sollen vergleichbare Schmerzensgeldbeträge gewähren.

Annähernd vergleichbare Fälle sucht man allerdings zumeist vergebens. Getreu dem Motto „jeder Fall ist anders“ – weichen, Lebensläufe, Tatumstände und Verletzungsfolgen regelmäßig voneinander ab. Andere gerichtliche Entscheidungen können daher nur einen ersten Ausgangspunkt bilden. Wichtig ist daneben, Unterschiede, insb. zusätzliche Beschwerungen herauszuarbeiten, um zu dem in Einzelfall angemessenen Betrag zu gelangen. Mögliche Faktoren für die Schmerzensgeldbemessungen können z.B. die erlittenen Verletzungen, die Dauer der notwendigen Heilbehandlung, verbleibende Dauerschäden, die Gefahren von Spätschäden (die sich derzeit noch gar nicht abzeichnen), die Umstände der Tat, die Auswirkungen der Verletzungen auf das soziale Leben, Heilungschancen, Belastungen durch die notwendige Heilbehandlung, das Alter des Opfers, bilden. Wichtig ist hierbei der ausreichende Vortrag: Gerade im außergerichtlichen Bereich und im Bereich von Verkehrsunfällen muss dem Schädiger bzw. dem Sachbearbeiter einer bestehenden Versicherung eine am Besten bildhafte Vorstellung der bestehenden Beeinträchtigungen vermittelt werden (was im Einzelfall auch die Vorlage von Fotos der erlittenen Verletzungen bedingen kann), will man ein entsprechend hohes Schmerzensgeld zu erstreiten. Nicht zuletzt mit dem Blick, dass gerade im außergerichtlichen Bereich durch entsprechend geschickte Argumentation, oft ein „gutes“ Schmerzensgeld erstritten werden kann, sollten frühzeitig alle Register und Argumente gezogen werden. Wir helfen hierbei gerne.

Zum Abschluss des Themas ein kleiner Schmerzensgeldüberblick – zitiert nach Hacks/Wellner/Häcker

– 19 jähriges Opfer, Oberarmbruch mit 6tägiger stationärem Aufenthalt, Komplikationen im Heilbehandlungsverlauf, erhebliches Mitverschulden des Opfers
Schmerzengeld nach OLG Saarbrücken (Urteil v. 01.03.2011) 1.500,00 €
– missglückte Dauerwellenbehandlung
Schmerzensgeld nach AG Elze (Urteil v. 22.12.1993) 400,00 €
– Verlust einer Augenlinse, Opfer 15jähriger Junge
Schmerzensgeld nach OLG Köln (Urteil v. 27.10.1995) 2.500,00 €

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht

Unfall und Schleudertrauma

Im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall immer wieder heiß mit Versicherern diskutiert: die Frage der Zuerkennung von Schmerzensgeldansprüchen beim Vorliegen eines Schleudertrauma/HWS-Trauma. Ausgangspunkt des Problems – das leichte HWS-Trauma, um das es bei „normalen“ Verkehrsunfällen, regelmäßig geht, ist nicht objektivierbar feststellbar: Röntgenaufnahmen, MRT-Aufnahmen etc. können tatsächlich keinen Beleg für entsprechende Verletzungen liefern. Der Befund des behandelnden Arztes „HWS-Trauma“ basiert letztlich allein auf den subjektiv geäußerten Beschwerden des Geschädigten – bei ungeschickten Ärzten steht das auch gerne so mal im Attest „Patient klagt nach Verkehrsunfall über Beschwerden im …“. Allein das Attest des Hausarztes ist damit nicht ausreichend, um den dem Geschädigten obliegenden Nachweis einer durch den Unfall erlittenen Verletzung, zu führen. Es sind zur „Plausibilisierung“ des unfallbedingten Schleudertraumas vielmehr die genaue Unfallkonstellation (Heck-, Front – oder Seitenkollision), die Kollisionsgeschwindigkeit und damit die Kräfte, die auf den Körper gewirkt haben (hier können ggfls. die Fahrzeugschäden und deren Umfang erste Auskunft geben), die Sitzposition, der konkrete Ablauf der Kollision im Inneren sowie mögliche körperliche Eigenheiten des Geschädigten (bestehende Vorschäden) zu berücksichtigen.

Im gerichtlichen Verfahren wird es bei Bestreiten der Verletzung durch den Versicherer („Verspannungen im Bereich der Halswirbelsäule findet sich bei jedem Bundesbürger unfallunabhängig“ – allein das zeitnahe Auftreten von entsprechenden Beschwerden im Zusammenhang mit dem Unfall belegt nicht die Unfallbedingtheit) der Einholung eines interdisziplinären Gutachtens (zusammengesetzt aus einem biomechanischen Gutachten, das die auf den Körper wirkenden Kräfte untersucht, sowie eines nachfolgenden medizinischen Gutachtens) bedürfen, um seine Ansprüche durchzusetzen. Entsprechende Gutachten brauchen jedoch nicht nur geraume Zeit, bis sie überhaupt vorliegen, sie sind auch mit erheblichen Kosten verbunden (die von Gerichten in diesem Bereich angeforderte Vorschüsse liegen regelmäßig bei 3.500,00 € + X) – und der Geschädigte muss die Kosten vorschießen. Steht nicht gerade eine Rechtsschutzversicherung zur Verfügung, ein wirtschaftlich nicht rentables Unterfangen; der Geschädigte zieht unabhängig vom Ausgang des Gutachtens meistens den Kürzeren: verneint das Gutachten das Vorliegen eines unfallbedingten Schleudertraumas trägt der Geschädigte die Kosten des Gutachtens und regelmäßig des Gesamtverfahrens komplett; bejaht es eine entsprechende Verletzung sind die ausgeurteilten Schmerzensgeldansprüche meistens im Vergleich zum geltend gemachten Anspruch gering und werden durch eine quotale Beteiligung an den Verfahrenskosten aufgefressen.

Es empfiehlt sich daher bereits bei der außergerichtlichen Anmeldung der Ansprüche ein geschicktes Vorgehen und ein sauberer Vortrag – nur so wird die Grundlage für erfolgreiche Verhandlungen und Gespräche mit den Versicherern geschaffen…

PS: So wenig wie der Satz stimmt, dass man immer mit dem Versicherer über ein Schmerzensgeld bei HWS-Verletzungen reden kann, so wenig greift der umgekehrte Hinweis, dass bei geringen Kollisionsgeschwindigkeiten immer ein Schleudertrauma zu verneinen ist! die sog. Harmlosigkeitsschwelle gibt es nicht!

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht

 

Unfall – Blechschaden! was tun?

Wiederbeschaffungswert-Reparaturaufwand – 130% Rechtsprechung

Im Schadensfall schuldet der Schädiger die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Dabei kann die Wiederherstellung auf zwei unterschiedlichen Wegen erfolgen – entweder durch Reparatur der beschädigten Sache oder durch Beschaffung eines Ersatzes für den beschädigten Gegenstand. Aber wer gibt dem Schädiger schon gerne den beschädigten Gegenstand wieder in die Hand, um den Schaden wieder gut zu machen – regelmäßig wird der Schädiger daher nur den Geldbetrag zu zahlen haben, der erforderlich ist, die notwendige Reparatur anderweitig durchführen zu lassen oder einen anderen Gegenstand anzuschaffen.

Ob der Geschädigte die Kosten für einen Ersatzgegenstand oder die Kosten der Instandsetzung erhält, kann der Geschädigte allerdings nicht schrankenlos selber entscheiden. Im Schadenersatzrecht wird dem Geschädigten im Grundsatz lediglich der günstigste Weg der Wiederherstellung ersetzt. Es muss hierfür in einem ersten Schritt ermittelt werden, welche Kosten die Reparatur verursacht und welcher Minderwert trotz Reparatur verbleibt (sog. merkantiler Minderwert). Dem so errechneten Betrag sind die Kosten für die Beschaffung eines anderen vergleichbaren Fahrzeugs (sog. Wiederbeschaffungswert) unter Abzug des Wertes des Unfallwracks (sog. Restwert) – den der Geschädigte durch Verkauf realisieren kann – gegenüber zu stellen. Beide Werte (Reparaturaufwand und Wiederbeschaffungsaufwand) sind sodann zu vergleichen – der Schädiger muss regelmäßig nur den niedrigeren Betrag ersetzen.

Jedoch keine Regel ohne Ausnahme – Sind die Kosten der Ersatzbeschaffung niedriger als der Reparaturaufwand, bewegen sich die kalkulierten Reparaturkosten jedoch noch im Rahmen des Wiederbeschaffungswertes (also dem Wert des Pkws ohne Berücksichtigung seines Restwerts im beschädigten Zustand), können auch die (höheren) Reparaturkosten beansprucht werden, wenn der Wagen tatsächlich wieder repariert wird. Als Reparatur, die die Übernahme der höheren Instandsetzungskosten rechtfertigt, werden hierbei sowohl die vollständige fachgerechte Reparatur nach Maßgabe eines Sachverständigengutachtens, also auch die Teilreparatur zur Wiedererlangung der Verkehrstauglichkeit des beschädigten Wagens bei Weiternutzung des reparierten Pkws über zumindest 6 weitere Monate akzeptiert.

Liegen die kalkulierten Reparaturkosten selbst über dem Wiederbeschaffungswert des verunfallten Wagens, können die Instandsetzungskosten auch dann noch vom Schädiger geltend gemacht werden, wenn sich die Reparaturkosten im Rahmen von 130% des Wiederbeschaffungswertes bewegen und der Pkw nach Maßgabe eines vorliegenden Sachverständigengutachtens vollständig (!), fachgerecht repariert wurde und zumindest 6 Monate vom Geschädigten weitergenutzt wird.

Leider werden die hohen Anforderungen an die Qualität der Reparatur in dem vorbeschriebenen 130% Rahmen regelmäßig unterschätzt. Der Ausnahmecharakter des Privilegs auch über den Wert des Fahrzeugs Reparaturkosten zu investieren, wird nicht gesehen: Das Fahrzeug wird nur teilweise repariert; vom Gutachter vorgegebene Ersatzteile werden ersetzt oder weggelassen, Arbeiten in Eigenregie unter Inkaufnahme von Abstrichen bei der fachgerechten Ausführung erbracht – möglicherweise auch in dem Bestreben, die tatsächlichen Reparaturkosten erst unter die magische Grenze von 130% zu bringen. Das Ergebnis ist dann leidlich befriedigend – die investierten Reparaturkosten werden nicht erstattet, es bleibt bei einer Abrechnung des Schadensfalles auf der Basis eines wirtschaftlichen Totalschadens. Dies musste zuletzt abermals ein Geschädigter feststellen, der beim BGH mit seiner Klage auf Ersatz der weitergehenden Reparaturkosten scheiterte – die vom Geschädigten aufgewandten Reparaturkosten lagen gerade noch unter der 130%-Grenze der Rechtsprechung. Leider hatte der Geschädigte – wohl um Kosten zu sparen – auf das Anbringen von Zierleisten verzichtet. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes war die Reparatur damit nicht vollständig! Die Vorgaben des Sachverständigengutachtens, auf dessen Grundlage die Kosten zunächst kalkuliert wurden, waren ohne Zierleisten nicht eingehalten, damit bestand lediglich ein Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwandes.

Auch Blechschäden bergen ihre Risiken! Haben Sie einen Blick darauf oder besser – lassen Sie uns einen Blick riskieren.

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht