Im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall immer wieder heiß mit Versicherern diskutiert: die Frage der Zuerkennung von Schmerzensgeldansprüchen beim Vorliegen eines Schleudertrauma/HWS-Trauma. Ausgangspunkt des Problems – das leichte HWS-Trauma, um das es bei „normalen“ Verkehrsunfällen, regelmäßig geht, ist nicht objektivierbar feststellbar: Röntgenaufnahmen, MRT-Aufnahmen etc. können tatsächlich keinen Beleg für entsprechende Verletzungen liefern. Der Befund des behandelnden Arztes „HWS-Trauma“ basiert letztlich allein auf den subjektiv geäußerten Beschwerden des Geschädigten – bei ungeschickten Ärzten steht das auch gerne so mal im Attest „Patient klagt nach Verkehrsunfall über Beschwerden im …“. Allein das Attest des Hausarztes ist damit nicht ausreichend, um den dem Geschädigten obliegenden Nachweis einer durch den Unfall erlittenen Verletzung, zu führen. Es sind zur „Plausibilisierung“ des unfallbedingten Schleudertraumas vielmehr die genaue Unfallkonstellation (Heck-, Front – oder Seitenkollision), die Kollisionsgeschwindigkeit und damit die Kräfte, die auf den Körper gewirkt haben (hier können ggfls. die Fahrzeugschäden und deren Umfang erste Auskunft geben), die Sitzposition, der konkrete Ablauf der Kollision im Inneren sowie mögliche körperliche Eigenheiten des Geschädigten (bestehende Vorschäden) zu berücksichtigen.
Im gerichtlichen Verfahren wird es bei Bestreiten der Verletzung durch den Versicherer („Verspannungen im Bereich der Halswirbelsäule findet sich bei jedem Bundesbürger unfallunabhängig“ – allein das zeitnahe Auftreten von entsprechenden Beschwerden im Zusammenhang mit dem Unfall belegt nicht die Unfallbedingtheit) der Einholung eines interdisziplinären Gutachtens (zusammengesetzt aus einem biomechanischen Gutachten, das die auf den Körper wirkenden Kräfte untersucht, sowie eines nachfolgenden medizinischen Gutachtens) bedürfen, um seine Ansprüche durchzusetzen. Entsprechende Gutachten brauchen jedoch nicht nur geraume Zeit, bis sie überhaupt vorliegen, sie sind auch mit erheblichen Kosten verbunden (die von Gerichten in diesem Bereich angeforderte Vorschüsse liegen regelmäßig bei 3.500,00 € + X) – und der Geschädigte muss die Kosten vorschießen. Steht nicht gerade eine Rechtsschutzversicherung zur Verfügung, ein wirtschaftlich nicht rentables Unterfangen; der Geschädigte zieht unabhängig vom Ausgang des Gutachtens meistens den Kürzeren: verneint das Gutachten das Vorliegen eines unfallbedingten Schleudertraumas trägt der Geschädigte die Kosten des Gutachtens und regelmäßig des Gesamtverfahrens komplett; bejaht es eine entsprechende Verletzung sind die ausgeurteilten Schmerzensgeldansprüche meistens im Vergleich zum geltend gemachten Anspruch gering und werden durch eine quotale Beteiligung an den Verfahrenskosten aufgefressen.
Es empfiehlt sich daher bereits bei der außergerichtlichen Anmeldung der Ansprüche ein geschicktes Vorgehen und ein sauberer Vortrag – nur so wird die Grundlage für erfolgreiche Verhandlungen und Gespräche mit den Versicherern geschaffen…
PS: So wenig wie der Satz stimmt, dass man immer mit dem Versicherer über ein Schmerzensgeld bei HWS-Verletzungen reden kann, so wenig greift der umgekehrte Hinweis, dass bei geringen Kollisionsgeschwindigkeiten immer ein Schleudertrauma zu verneinen ist! die sog. Harmlosigkeitsschwelle gibt es nicht!
Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht