Der Beschuldigte und sein Verteidiger!

Und noch eine Reform im Strafverfahrensrecht! Wer hat noch nicht, wer will nochmal, scheint das Motto kurz vor der Bundestagswahl zu lauten! Dieses Mal heißt das Gesetz ganz eingängig „Zweite Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten in Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts“. Mal sehen, ob es in den nächsten Jahren hält, was es vermeintlich verspricht…

Zumindest sind im Zuge der Reform die Möglichkeiten zur Hinzuziehung eines Verteidigers erweitert worden. So hat der Verteidiger bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Polizeibeamte nun ein Anwesenheitsrecht. Die Polizei ist im Übrigen verpflichtet, den Beschuldigten bei seiner ersten Vernehmung nicht nur zu eröffnen, welche Taten ihm zur Last gelegt werden und ihn darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht, sich zu der Beschuldigung zu äußern, sondern sie ist auch verpflichtet, ihn darüber in Kenntnis zu setzen, dass er auch vor seiner Vernehmung die Möglichkeit hat, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte danach vorab einen Verteidiger befragen, sind ihm von der Polizei aktiv Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Bestehen anwaltliche Notdienste und damit die Möglichkeit, auch außerhalb üblicher Bürozeiten zeitnah einen Anwalt zu erreichen, hat die Polizei auf diese hinzuweisen und Anlaufstellen zu bezeichnen. Auf der Internetseite der für unseren Gerichtsbezirk zuständigen Rechtsanwaltskammer Hamm findet sich z.B. eine Pflichtverteidigerliste, in der nach Orten aufgeschlüsselt im Strafrecht tätige Kollegen mit ihren Kontaktdaten aufgeschlüsselt werden. Verschiedene Kollegen haben hierbei auch Telefon-Nr. angegeben, unter denen sie nicht nur außerhalb der üblichen Bürozeiten, sondern ggfls. auch am Wochenende in Eil- und Notfällen erreicht werden können. Angesichts des dem Beschuldigten verbürgten Rechts, sich zu den Tatvorwürfen nicht äußern zu müssen, und der generellen Gefahr unbedachter „Spontanäußerungen“, die sich selten im Nachhinein relativieren lassen, sollte von der Kontaktmöglichkeit und Begleitrechten umfangreich Gebrauch gemacht werden.

Mitgenommen werden darf der Anwalt auch zu einer Gegenüberstellung und zu einer staatsanwaltlichen sowie richterlichen Vernehmung. Und auch zu einer Vernehmung von Zeugen durch den Richter. Bei letzterer haben Beschuldigter und Verteidiger nun auch selbst das Recht, mögliche Belastungszeugen „in die Mangel zu nehmen“ und diesen Fragen zu stellen.

In diesem Sinne: Wenn Sie einmal ein Problem haben und nicht weiter wissen, rufen Sie …

doch uns an.

Wir stehen Ihnen unter der unten angegebenen Telefon-Nr. auch außerhalb der üblichen Bürozeiten in dringenden strafrechtlichen Notfällen (!) zur Verfügung. Der anwaltliche Notdienst ist für Fragen, deren Beantwortung wir auch zu den üblichen Geschäftszeiten vornehmen könnte, nicht verfügbar. Es handelt sich nicht um eine Auskunftsstelle zu anderen, als dringenden strafrechtlichen Fragen.

Tel.  strafrechtlicher Notdienst: 0173 9735831

Trennungsjahr und Hartz IV

Familienrecht trifft Sozialrecht: Hartz IV und das Eigenheim! keine Verwertungspflicht im laufenden Trennungsjahr!

SGB II (sog. Hartz IV) – Leistungen erhalten nur hilfebedürftige Personen, die ihren Lebensunterhalt nicht anderweitig durch ihr Einkommen und den zumutbaren Einsatz vorhandenen Vermögens decken können. Zum vorrangig einzusetzenden Vermögen gehören grundsätzlich auch vorhandene Immobilien. Privilegiert sind lediglich selbst genutzte Hausgrundstücke oder Eigentumswohnungen von angemessener Größe. Sie bilden nach der gesetzlichen Definition kein berücksichtigungsfähiges Vermögen. Was passiert aber, wenn ein Ehegatte anlässlich der Trennung von seinem Partner aus dem bislang gemeinsam genutzten und bewohnten Haus auszieht. Ab wann verliert das Familienheim nach der Trennung seine bevorrechtigte Stellung und muss verwertet werden?

Zu dieser Frage hat sich vor einigen Monaten das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Entscheidung vom 31.05.2017, Az. L 13 AS 105/16) geäußert. In dem zugrunde liegenden Fall wurden der Klägerin nach der Trennung von ihrem Ehemann und dem Auszug aus dem gemeinsamen Familienheim beantragte Leistungen nach der SGB II versagt. Die Behörde stellte sich auf den Standpunkt, die Klägerin müsse nach dem Auszug die Immobilie veräußern, um damit vorrangig ihren Lebensunterhalt zu sichern. Bis zur Verwertung wurden der Klägerin nur darlehensweise Hartz IV-Leistungen gewährt. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie verwies darauf, dass die Trennung von ihrem Ehemann erst vor kurzem erfolgt sei. Das im Familienrecht für die Scheidung bedeutsame Trennungsjahr sei noch nicht abgelaufen, die Ehe noch nicht endgültig zerrüttet. Es stünde noch nicht fest, ob es bei der Trennung bleibe oder sich die Ehegatten nochmals versöhne. Das Landessozialgericht entschied zu Gunsten der Klägerin. Während des Trennungsjahres besteht nach Auffassung des Gerichts regelmäßig keine Pflicht zur Verwertung der Immobilie. Zwar würde die Immobilie mit dem Auszug nicht mehr selbst genutzt, müsste damit also grundsätzlich verwertet werden. Mit Blick auf die familienrechtlichen Wertungen, wonach die Scheidung grundsätzlich erst nach Ablauf eines Trennungsjahres möglich ist, stelle die Veräußerung für die Klägerin jedoch eine unzumutbare Härte dar. Das Trennungsjahr solle die Ehegatten vor vorschnellen Scheidungsentschlüssen bewahren. Mit einer Verwertungspflicht würde der ausgezogene Ehegatte demgegenüber gezwungen, vorschnell Fakten zu schaffen und der ehelichen Gemeinschaft noch vor Ablauf des Trennungsjahres die Grundlage zu entziehen. Nach Ablauf des Trennungsjahres könne der Hilfebedürftige jedoch zur Veräußerung des ehemaligen Familienheimes „verpflichtet“ werden.

Arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz

oder warum ich meinen Hund doch mit zur Arbeit nehmen darf!

Dass unsere Kanzlei eine gewisse Dackel- und Hundeaffinität aufweist, belegt schon unsere Homepage. Nicht zuletzt deswegen erregte eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn (Az. 4 Ca 181/16) in den letzten Tagen unsere Aufmerksamkeit: da klagte nach den Angaben in der Pressemitteilung ein Ehepaar, das in einem Forstamt arbeitet, gegen das Verbot seines Dienstherrn, einen zweiten Schäferhund mit zur Arbeit zu bringen. Die Mitnahme des ersten Schäferhund hatte der Dienstherr über Jahre bereits geduldet. Der zweite Hund überspannte allerdings scheinbar die Toleranz des Arbeitgebers. In die Forstämter dürften nach der Argumentation des Arbeitsgebers grundsätzlich lediglich Jagdhunde, aber keine Hütehunde, mitgenommen werden. Im Übrigen obläge es den jeweiligen Forstämtern die Bestimmung der zulässigerweise mitzunehmenden Hunden. Die Mitnahme des ersten Schäferhundes duldete der Dienstherr nach eigenen Angaben nur unter Bestandsschutzaspekten.
Das Arbeitsgericht bestätigte den Klägern nun in erster Instanz, dass sie dem Hunde-Verbot des Dienstherren nicht folgen müssen, also auch einen zweiten Schäferhund mit zur Arbeit nehmen dürfen. Mit dem Verbot der Mitnahme verstoße der Arbeitgeber gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz: Auch an anderen Dienststellen durften Mitarbeiter der Forstverwalter Hunde mitnehmen, die nicht als Jagdhunde zu qualifizieren waren. Gründe, die die geplante „Sonderbehandlung“ der Kläger gegenüber diesen Mitarbeitern rechtfertigen könnten, sah das Arbeitsgericht nicht.

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet Arbeitgebern die willkürliche Andersbehandlung und/oder die Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen vergleichbaren Arbeitnehmern aus unsachlichen Gründen. Gibt es im Betrieb also allgemeine Grundsätze zur Gewährung und Bemessung von Gratifikationen, Versorgungszusagen oder zur Lohnzahlung, können einzelne Arbeitnehmer von diesen Grundsätzen nicht zu ihrem Nachteil ausgeklammert werden. Die Besserstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern ist dagegen uneingeschränkt möglich. Gewährt der Arbeitgeber so z.B. zum Ende des Jahres seiner Belegschaft insgesamt ein Weihnachtsgeld, kann er nicht ohne besondere Begründung einzelnen Arbeitnehmern ein solches Weihnachtsgeld verweigern.

Im Detail stellt sich der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz durchaus komplex dar. Bei Fragen stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.

Zeugenaussage und Zeugenbeistand

Ich muss gar nichts, insb. muss ich nicht mit der Polizei reden!!“ … tja! Pustekuchen! ab jetzt muss auch der Zeuge ran!!!

In den zurückliegenden Tagen sind wesentliche Änderungen im Strafverfahrensrecht in Kraft getreten. Diese betreffen nicht nur den Beschuldigten, der einer Straftat verdächtigt wird und damit klassischerweise im Mittelpunkt der Ermittlungen steht, und seinen Verteidiger, sondern auch den „unbescholtene“ Zeugen.

Bislang wurden potentielle Zeugen einer Straftat – auch nach dem sie vor Ort bereits befragt wurden – im Rahmen der laufenden Ermittlungen von der Polizei nochmals angeschrieben und um Hereingabe einer schriftlichen Zeugenaussage gebeten oder zur Zeugenbefragung von der Polizei zum Gespräch gebeten. Weder der polizeilichen Aufforderung zur Abgabe einer schriftlichen Aussage, noch der Ladung auf das Revier, mussten Zeugen nach alter Rechtslage Folge leisten. Eine Verpflichtung zum Erscheinen oder Abgabe einer Erklärung gegenüber der Polizei bestand nicht. Erst bei einer Vorladung durch die Staatsanwaltschaft oder durch das Gericht wurde es ernst und Angaben zur Sache fällig.

Durch die Neuregelung (§ 163 Abs. 3 StPO) sind Zeugen nun auch im Ermittlungsverfahren auf entsprechende Ladung durch die Polizei verpflichtet, bei dieser zu erscheinen und eine Aussage zu tätigen (und sei es auch nur, um dort abzugeben, dass man tatsächlich keinerlei Angaben zur Sache machen kann). Leistet man dieser Pflicht keine Folge, drohen Ordnungsgelder und im Extremfall Ordnungshaft. Die gerade bei Verkehrsunfällen oder Schlägereien zu beobachtende Praxis, dass Zeugen auf Anschreiben der Polizei nicht reagieren und weder persönlich vorsprechen, noch eine Schilderung der in Rede stehenden Vorkommnisse zu Papier bringen und zurückreichen, dürfte damit bald Geschichte sein. Der ein oder andere Zeuge wird bis dahin vielleicht böse überrascht. Dass durch die Neuregelung die ohnehin wohl nicht all zu große Bereitschaft von Personen, sich als Zeuge von Straftaten und Verkehrsunfällen zu erkennen zu geben, gesteigert wird, darf bezweifelt werden. Schwierig dürften daneben Konstellationen werden, in denen die strafrechtlich relevante Einbindung von Zeugen in das Tatgeschehen noch gar nicht klar ist; der Zeuge daher – auch aufgrund seiner Aussage – selbst in den Blick der Polizei gerät.

Allerdings muss der als Zeuge Geladene nicht ohne Begleitung bei der Polizei erscheinen. Ebenso wie der Beschuldigte darf auch der Zeuge einen Rechtsbeistand hinzuziehen und zur Vernehmung mitbringen (§ 68b StPO, sog. Zeugenbeistand). Ist erkennbar, dass der Zeuge seine Befugnisse im Rahmen der Vernehmung nicht sachgerecht wahrnehmen kann, ist ihm ggfls. sogar ein Rechtsanwalt beizuordnen.

…Schöne neue Welt.

Bevor Sie Angaben bei der Polizei machen, die Sie im zweiten Schritten bereuen könnten, lassen Sie die Angelegenheit lieber durch einen Anwalt prüfen. Wir sind gerne behilflich.

Für Fragen im Strafrecht steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Rolf Schwarz als Ansprechpartner zur Verfügung.

Tierhalterhaftung

Durchgehende Pferde und Hundehalter-Haftung

§ 833 BGB statuiert für die Halter von Haustieren eine Gefährdungshaftung: Tierhalter haften danach für die von ihren Tieren verursachten Schäden, egal ob Hund, Katze, Kuh oder Pferd und egal, ob durch das Tier eine Sache beschädigt oder ein Mensch verletzt wird. Grundidee der Haftungsnorm bildet die Erkenntnis, dass tierisches Verhalten auch bei ausreichender Schulung und Training unberechenbar bleibt und dadurch ein erhebliches Gefahrenpotential bietet. Wirft der Hund im Spiel nur eine kleine Vase um, mag das noch hingehen und nur ärgerlich sein, übel kann es jedoch ausgehen, wenn durch das Tier z.B. ein Kind attackiert und gebissen wird. Hier können plötzlich erhebliche Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche zur Diskussion stehen. Es kann jedem Tierhalter daher nur dringend empfohlen werden, eine entsprechende Haftpflichtversicherung abzuschließen.

Über eine „doppelt gefährliche“ Situation, die mit dem Sturz vom Pferd für den Kläger endete, hatte im August das OLG Karlsruhe zu entscheiden (Az. 7 U 200/16): Der Kläger war zu Pferd unterwegs, als es zur Begegnung mit dem frei laufenden Hund der Beklagten kam. Der Hund folgte dem Kläger und seinem Pferd. Die Beklagte versuchte, ihren Hund hierauf mit Hilfe einer Hundepfeife zurückzurufen. Nachdem ein erster Pfiff ohne Reaktion des Hundes blieb, nutzte die Beklagte die Pfeife ein zweites Mal. Durch diesen Pfiff kehrte der Hund zwar zurück, es ging aber auch das Pferd des Klägers durch, der Kläger stürzte und verletzte sich. Seine Klage auf Schadenersatz wies das Oberlandesgericht nun in letzter Instanz ab: ein Fall der Tierhalterhaftung läge nicht vor. Der Hund der Beklagten habe das Durchgehen des Pferdes nicht verursacht. Das Pferd habe nicht auf die Annäherung des Hundes reagiert, sondern allein auf den (zweiten) Pfiff mit der Hundepfeife und damit auf ein menschliches Verhalten. Allein die Nutzung der Hundepfeife begründe keine Haftung der Beklagten. Die Beklagte hätte die Pfeife nutzen dürfen, die Nutzung stelle im konkreten Fall eine adäquate Reaktion auf das Verhalten des Hundes dar. Mit der Reaktion des Pferdes auf den Pfeiflaut habe die Beklagte nicht rechnen müssen, dass das Pferd schon auf den ersten Pfiff schreckhaft reagiert und der Beklagten Anlass geboten hätte, von der weiteren Nutzung der Pfeife Abstand zu nehmen, konnte das Gericht nicht feststellen.

… ich gehe jetzt mal mit der Kanzlei-Dackeldame vor die Türe und versuche, sie von der Fahrradfahrer-Jagd abzuhalten!